- Allgemein, Presse
Grüner Gruß: Das Stadtgemüse heißt Gäste am Bahnhof willkommen
„Wo ist denn der Mangold …?“ Suchend umrundet Annette Stoll-Zeitler, Leiterin des Fachbereichs Ausstellung und Betrieb bei der Gartenschau, eines der zahlreichen Hochbeete. In allen wächst und gedeiht es inzwischen prächtig – höchste Zeit, die kleinen Täfelchen mit den Bezeichnungen der Gemüsesorten in die Erde zu stecken. Einen ganzen Strauß davon hat Stoll-Zeitler mitgebracht, für Lauch und Zucchini, Brokkoli, Sellerie, Weißkohl, Snackpaprika und verschiedene Kräuter … und eben für den Mangold, eine Gemüsesorte, die nicht jeder Passant auf Anhieb erkennen dürfte. Auch das ist ein Grund dafür, dass am Bahnhof und damit mitten in der Stadt jetzt Nutzpflanzen wachsen: Das Stadtgemüse soll nicht nur Geschmack auf mehr geben, sondern auch gute Ernährung zum Thema machen und zeigen: Wie wächst Gemüse eigentlich? Das Konzept geht auf. „Leute laufen mit leuchtenden Augen vorbei, gucken, was es hier gibt, zupfen auch mal ein Blättchen ab und probieren“, erzählt Stoll-Zeitler. „Immer wieder kommen Familien vorbei und die Eltern zeigen und erklären den Kindern die verschiedenen Sorten.“
Aus Liebe zum Gemüse
Für Annette Stoll-Zeitler, unter deren Federführung der Ausstellungsbeitrag entstand, ist das Projekt eine Herzensangelegenheit, ihre Familie führt in der siebten Generation einen Gärtnerbetrieb in Frankfurt. Für das Stadtgemüse hat sie professionelle Unterstützung aus der Region ins Boot geholt: Entwickelt und gestaltet hat den Garten am Bahnhof die Geislinger Gärtnerei Brobeil zusammen mit ihren Auszubildenden. Auch für die Profis war das Gärtnern im städtischen Raum – Urban Gardening genannt – eine neue Erfahrung. „Dieses Projekt war auch für mich sehr interessant“, schildert Inhaber Jörg Brobeil rückblickend. „Welche Sorten wählen wir aus? Was kommt wohin? Das war schon spannend, bis alles seinen Platz gefunden hatte.“ Auch die Frage, ob der stark frequentierte Standort am Bahnhof funktionieren würde, trieb den Kreisgärtnermeister zunächst um. Wie sich zeigte, war die Sorge unbegründet: „Alles wächst und gedeiht wunderbar und unbeschadet, nur der erste Hagel hat ein paar Spuren hinterlassen.“
Dass sich das Stadtgemüse so gut entwickelt, ist auch dem Einsatz von Peter Seifert zu verdanken. Der Hotelier und Gastronom, der im Bahnhof das Café La Gare betreibt, setzt auf nachhaltiges Wirtschaften und bezieht einen Teil seines Gemüses aus dem nächsten Umfeld. Vor der Cafétür erntet Seifert derzeit nicht nur das Stadtgemüse, um es seinen Gästen unter dem Motto „Vom Beet auf den Teller“ zu servieren, er unterstützt das Gärtnerteam auch bei der Pflege der Beete, etwa bei der Bewässerung. Und er beantwortet die Fragen, die ihn immer wieder erreichen, denn viele Leute sind neugierig und wollen wissen, was da am Bahnhof alles wächst. Geduldig zeigt und erklärt Seifert die Sorten, gerne auch im Detail per Pflanzen-App. Und weil das eine noch gedeiht, während anderes schon geerntet wurde, ist regelmäßig Neues zu entdecken.
Ein Haus aus Grün
Interessant ist nicht nur, was aus der Erde sprießt. Hinter der Gestaltung des Gartenschaubeitrags steckt Geschichte, denn die Anordnung der Hochbeete, zur Verfügung gestellt vom Gartenbauverband Baden-Württemberg-Hessen e. V., ist keineswegs zufällig. Die rechteckige Form lehnt sich an das Gebäude an, das zuvor hier stand, und das Gerüst aus Bohnenstangen – entworfen und geschweißt hat es Jörg Brobeil – bildet sinngemäß die Hauswände der ehemaligen Bahnhofsgaststätte nach. Die Bohnenpflanzen ranken bereits daran empor; in wenigen Wochen werden die Metallstreben überwachsen sein und ein lebendiges schattiges Dach bilden. Als kleiner grüner Raum wird das Areal die Aufenthaltsqualität dann noch einmal erhöhen – bereits jetzt stehen fröhlich pinke Stühle einladend zwischen den Beeten und darum herum bereit. Platz nehmen und genießen kann jeder, der möchte: Das Stadtgemüse ist zwar ein Ausstellungsbeitrag der Gartenschau, befindet sich aber außerhalb des Geländes und ist damit frei zugänglich.