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Richtfest am Fachwerkbau: Junge Zimmerleute stellen Pavillon für Albvereine
Fünferkreuz, Schwäbisches Weible, Wilder Mann – so heißen die traditionellen süddeutschen Fachwerkfiguren, die den nagelneuen Pavillon schmücken, den das Haus der Volkskunst während der Gartenschau bespielen wird. Der Holzbau mit fünf Außenwänden und einer Innenwand steht neben dem Ewaldhaus in der Hindenburgstraße, also dort, wo sich das Eventgelände in Nord und Süd teilt. Geplant und gebaut haben ihn vier angehende Zimmerermeister der Kerschensteinerschule in Reutlingen gemeinsam mit elf Auszubildenden des Zimmerhandhandwerks der Balinger Philipp-Matthäus-Hahn-Schule und ihren Lehrern – eine Kooperation, die als voller Erfolg bezeichnet werden kann, und das nicht nur im handwerklichen Sinne. „Das Schöne an dem Projekt ist, dass zwei Schulen aus verschiedenen Landkreisen zusammenarbeiten“, sagt Tobias Rager. Der Heselwanger ist in Reutlingen Fachlehrer für Computeranwendung und unterrichtet mit seinem Kollegen Daniel Lutz, der auch Tragwerksplanung schult, dort die Meisterklasse. Gemeinsam mit Fachlehrer und Zimmermeister Harald Schäfer aus Balingen haben sie das Projekt angeleitet. Die Initiative kam von Tobias Rager: Im Herbst 2021 schlug er der Stadt Balingen vor, dass sich der Zimmermeisterkurs mit einem gemeinnützigen praktischen Holzbauprojekt an der Gartenschau beteiligt. Mit Harald Schäfer und seinen Auszubildenden war der passende Partner gefunden, mit dem Pavillon für das Haus der Volkskunst die passende Idee. Mit dem Ergebnis ist er mehr als zufrieden: „Das ist eine coole Nummer, die wir da auf den Weg gebracht haben – großes Lob an Herrn Schäfer und seine Schüler.“
Von der Idee zum Meisterstück
Nachdem ein Entwurf ausgewählt und in CAD geplant worden war – überzeugen konnte der Zimmerergeselle André Walz aus Bernstadt –, ging es in die Umsetzung. Die benötigten Hölzer wurden im Zimmererzentrum in Biberach zugeschnitten und die Balinger Auszubildenden bauten die Fachwerkkonstruktion erstmals zusammen, nahmen Maß für die Dachdeckung und die Verglasung. Dann war zunächst einmal Winterpause angesagt – bis zum 12. März, als das Meisterstück endlich seinen Bestimmungsort erreichte: Die Einzelteile wurden am Ewaldhaus angeliefert und gemeinschaftlich von den jungen Zimmermännern zusammengesetzt und aufgestellt. „Das war ein toller Tag mit dem Aufbau heute“, zieht Harald Schäfer Bilanz. „Die Zusammenarbeit hat super funktioniert und mit den Fachwerkelementen haben wir hier jetzt echtes traditionelles Zimmererhandwerk.“ Das passt natürlich bestens zum Haus der Volkskunst mit seiner langen Geschichte.
„Die Feierstunde hat geschlagen, es ruhe die geübte Hand“
Wie es die Tradition verlangt, folgte anschließend das Richtfest auf der Baustelle – natürlich inklusive zünftig gereimtem Richtspruch. „Geschwitzt, gerannt und rumgerungen, seht her, hier steht’s, wir haben’s hinbekommen“: Bei bester Stimmung trug der angehende Zimmerermeister Moritz Blessing auf dem Dach die eigens geschriebenen Verse vor und hob sein Glas auf die Bauleute, das anschließend auf dem Boden zerschellte – Glück und Segen sind dem Bau gesichert. Damit war das Richten geschafft und das Gebäude geweiht, was auch die Gartenschauleitung sichtlich freute. „Wir dürfen genießen, dass wir heute so ein super Haus übergeben können“, formulierte es die Technische Geschäftsführerin Annette Stiehle, die sich mit Annette Stoll-Zeitler, Leitung Ausstellung und Betrieb, bei den Handwerkern für die gelungene Kooperation und den tatkräftigen Einsatz bedankte. „Es war beeindruckend zu sehen, wie die Konstruktion zuerst im Kopf und dann im Digitalen entstand und heute tatsächlich umgesetzt wurde – wir haben großen Respekt vor der Arbeit, die dahintersteckt“, so Annette Stoll-Zeitler. „Das ist jetzt ein wunderbarer Ort, den das Team des Schwäbischen Albvereins mit Leben füllen wird.“
Tradition in würdigem Ambiente
An Leben im Gebäude wird es nicht mangeln, denn das Team um Manfred Stingel, Vorsitzender der Frommerner Volkstanzgruppe, hat ein abwechslungsreiches Angebot geplant. Hinter den dann verglasten Wänden, die das Fachwerk zur Geltung bringen, wird eine Bauernstube mit einem Hand-Webstuhl eingerichtet, der mindestens einmal die Woche betrieben werden soll. Ausgestellt werden außerdem zwei Trachtenpuppen, denn während der Gartenschau näht eine Schneiderin wöchentlich historische Balinger Trachten und auch die Mitwirkenden werden entsprechend gewandet sein. Im Fachwerkhäuschen trifft sich zudem die Spinngruppe und es sind verschiedene Aktionen in Vorbereitung wie Strohflechten, Hirtenhörnerbauen oder Maskenschnitzen. Kurz: Das Geschehen im Fachwerkbau wird ein lebendiges Bild von dem vermitteln, was regelmäßig im Haus der Volkskunst stattfindet. „Ich freue mich, dass das Projekt verwirklicht werden konnte und unser Veranstaltungsprogramm in so einem tollen Ambiente stattfinden wird“, sagt Manfred Stingel.
Der Holzbau bleibt Balingen übrigens auch nach der Gartenschau erhalten, denn dann zieht er um in den Garten vom Haus der Volkskunst, um in Dürrwangen Gäste aus aller Welt zu empfangen. Für diese Nachnutzung wurde extra noch einmal nachgearbeitet, wie Tobias Rager weiß: „Wir haben die Gratsparren ertüchtigt, um sie für die dauerhafte Nutzung auszulegen.“ Manfred Stingel und seine Gruppe freut’s.